Das Buch „WIR“ handelt, wie der Untertitel bereits verrät, vom Alltag einer Familie mit behinderten Kindern. In einzelnen Geschichten berichtet die Autorin nahbar und eindringlich von ihrem Leben mit ihrem Mann und ihren drei Kindern. Sie nimmt die Leserschaft mit in ihre Empfindungen und gibt Einblicke in ihre eigene Lebensrealität. Dabei behandelt sie vielerlei Themen, die in allen Familien auftreten und zeigt, wie es bei ihnen ist.
Klarheit und Offenheit statt Mitleid und Unverständnis
Anna Mendel selbst sagt, dass sie das Buch für all die Eltern geschrieben hat, die wie sie pflegende Angehörige sind. Damit sie sich gesehen fühlen und merken, dass sie nicht allein sind. Und gleichzeitig hat sie es für „all die Eltern, Familien und auch kinderlose Menschen geschrieben, die nicht so sind“, um Verständnis und Mitgefühl aufzubauen und Begegnungen in Klarheit und Offenheit zu ermöglichen, anstatt in Mitleid und Unverständnis.
Auf dem Klappentext schreibt die Bestsellerautorin und Diplom-Pädagogin Susanne Mierau, dass „Anna Mendel ein hoch emotionales und zugleich gesellschaftskritisches Buch geschrieben hat, das den Blick auf das Miteinander in unserer Gesellschaft verändert.“
Die ungefähr 220 Seiten sind in 28 Kapitel unterteilt, die sich gut auch einzeln und mit größeren Abständen lesen lassen, wie das bei Eltern und besonders auch pflegenden Eltern wahrscheinlich oft der Fall ist.
Anna Mendel schreibt aus der Ich-Perspektive. Sie schreibt frei heraus, als würde sie Freunden von ihrem Leben berichten. Es wird der Familienalltag mit drei Kindern, wovon zwei Behinderungen haben, beschrieben. Es werden die Anforderungen aufgezeigt, die an Familien mit pflegebedürftigen Kindern gestellt werden und die nach außen häufig unsichtbar sind. Und was pflegende Elternschaft beziehungsweise aus ihrer Sicht eben pflegende Mutter zu sein bedeuten kann. Und das alles noch bedürfnisorientiert.
Als Leser*innen bekommen wir Einblicke in die Diagnosestellung der beiden Söhne, einer im Autismus-Spektrum, einer mit Trisomie 21. Wir lernen Fachwörter, Vorgehensweisen, erhalten Tipps. Das Buch geht nah, zeigt viel Privates, eben den Alltag dieser Familie mit behinderten Kindern. Es offenbart Gemeinsamkeiten und Unterschiede und piekst vielleicht hier und da.
Mein persönliches Fazit
Ich habe beruflich sehr viel mit Kindern im Autismus -Spektrum und mit Kindern mit Trisomie 21/Down-Syndrom zu tun. Ich arbeite seit 12 Jahren an Förderschulen. Und ich lese viel - auch Fachbücher. Ich begleite Kinder mit Behinderungen und ihre Familien schon lange. Trotzdem hat mir dieses Buch neuen Input geboten. Ich habe in diesem Buch einen Blick ins Innere einer Familie erhalten und dadurch viel mehr Verständnis für so manche Situation, die vielleicht anders läuft, als ich es sonst so kenne, erlangt. Ich empfehle dieses Buch jeder Familie mit einem oder mehreren behinderten Kindern und auch Familien mit Kindern mit Neurodivergenz. Ich empfehle es Fachpersonen. Und ich empfehle es auch allen anderen, die gerne den eigenen Horizont etwas erweitern und neue Perspektiven kennenlernen wollen.